Gemeinsames Manifest zur UN-BRK

Inklusive Bildung – Jetzt !

Wir nehmen die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen zum Anlass, eine grundlegende Neuorientierung der Bildungspolitik in Deutschland zu fordern. Wir beziehen uns auf das Menschenrecht auf Bildung, wie es von den Vereinten Nationen in mehreren, von der Bundesrepublik ratifizierten Menschenrechtsverträgen kodifiziert wurde:

  • Das Abkommen über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte schreibt vor, dass allgemeine Bildung ohne Diskriminierung zugänglich, allen verfügbar, von Eltern und Kindern akzeptiert und dem Stand der Wissenschaft und gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst werden muss.
  • Die Konvention über die Rechte des Kindes verpflichtet die Vertragspartner, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, damit Bildung möglichst vollständige soziale Integration und Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden Kindes befördert.
  • Die Konvention über die Rechte behinderter Menschen schließlich fordert die Vertragspartner unmissverständlich auf, für „inclusive education“ Sorge zu tragen. Das bedeutet: Alle Kinder werden in allgemeinen Schulen in heterogenen Lerngruppen der Vielfalt der Begabung entsprechend unterrichtet. Die nötige individuelle Unterstützung wird zum Kind gebracht.

Bildung ist ein Recht, das zur Wahrnehmung anderer Rechte erst befähigt.

Wenn es vorenthalten wird, bedeutet das den Ausschluss von Selbstbestimmung, politischer und gesellschaftlicher Teilhabe, Arbeit und Gesundheit.
Wie bei der UN-Kinderrechtskonvention sind auch für die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen Bund, Länder und Gemeinden zuständig. Sie alle sind an die völkerrechtlichen Vereinbarungen gebunden; der Bund hat die Einhaltung der Konventionen vor der Völkerrechtsgemeinschaft zu vertreten. Der übliche Verweis auf die Zuständigkeit des jeweils anderen ist unzulässig, denn an deutschen Schulen bestehen Zustände fort, die den Konventionen eklatant widersprechen und deshalb vom Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung, Vernor Munoz, angeprangert wurden:

  • Viel zu früh werden die Bildungswege der Kinder getrennt.
  • Fast einer halben Million Kinder und Jugendlicher wird sonderpädagogischer Förderbedarf bescheinigt und 85% dieser Kinder werden in der Folge in Sonderschulen eingewiesen – viele gegen ihren und gegen den Willen der Eltern. Nur 15% von ihnen werden an allgemeinen Schulen unterrichtet.
  • Unter den Sonderschülerinnen und –schülern finden sich überproportional viele Kinder mit Migrations- und/oder Armutshintergrund.

Auf diese Weise produziert und reproduziert unser Bildungssystem gesellschaftliche Ungleichheit und Armut. Immer größere Teile der Bevölkerung werden durch Bildungsarmut von Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.
Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und Benachteiligungen bedeutet die Ausgrenzung in Sonderschulen den Einstieg in lebenslange Sonderwege an den Rändern der Gesellschaft. Gleichzeitig wird allen Kindern die Vielfalt der Gesellschaft in der Schule vorenthalten. Sie können so nicht im Alltag lernen, respektvoll und konstruktiv mit Andersartigkeit umzugehen. Das ist der Ausgangspunkt von gesellschaftlicher Ausgrenzung und gibt für die demokratische Kultur in diesem Land Anlass zur Besorgnis.

Es ist höchste Zeit für die inklusive Schule.

Wir fordern daher:

  • Jedes Kind hat Anspruch auf Aufnahme in die zuständige allgemeine Schule.
  • Die nötige individuelle Unterstützung muss jedem Kind an seiner Schule zur Verfügung gestellt werden.
  • Für Schulen und Lehrkräfte müssen Fortbildung, Begleitung und Unterstützung zur Umsetzung des inklusiven Bildungsanspruchs zur Verfügung stehen.
  • Alle Lehramtsstudiengänge müssen an die Anforderungen inklusiver Bildung angepasst werden.

Vor diesem Hintergrund dürfen Schulstrukturfragen kein Tabuthema mehr sein.

gezeichnet:

Bundesarbeitsgemeinschaft gemeinsam leben – gemeinsam lernen e.V.

Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

Deutscher Behindertenrat

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Der Paritätische

Interessenvertretung ‚Selbstbestimmt leben‘ Deutschland e.V.

Aktion Humane Schule

Politik gegen Aussonderung – BAG für Integration und Inklusion e.V.

National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland

Prof. Lothar Krappmann, UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes

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